Doctor Sleep - Страница 8


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Charlie und Baba sahen sich an und grinsten.

»Da genießt es aber jemand«, bemerkte Baba.

»Wieso auch nicht«, sagte Charlie.

12

Als Andi im ersten Tageslicht aufwachte, lag ihr Kopf auf Rose’ Brüsten. Sie fühlte sich völlig anders; sie fühlte sich überhaupt nicht anders. Sie hob den Kopf und sah, dass Rose sie mit ihren bemerkenswerten grauen Augen beobachtete.

»Du hast mich gerettet«, sagte Andi. »Du hast mich zurückgeholt.«

»Alleine hätte ich das nicht geschafft. Du wolltest kommen.« In mehr als einer Hinsicht, Zuckerpuppe.

»Was wir danach gemacht haben … das können wir nicht wieder tun, stimmt’s?«

Rose schüttelte lächelnd den Kopf. »Nein. Und das ist in Ordnung so. Manche Erfahrungen können absolut nicht getoppt werden. Außerdem will mein Typ mich heute wiederhaben.«

»Wie heißt der?«

»Offiziell Henry Rothman, aber nur für die Tölpel. Sein Wahrer Name ist Crow Daddy.«

»Liebst du ihn? Das tust du nicht, stimmt’s?«

Rose lächelte, zog Andi zu sich heran und küsste sie. Aber sie gab keine Antwort.

»Rose?«

»Ja?«

»Bin ich … bin ich noch ein Mensch?«

Darauf gab Rose dieselbe Antwort, die Dick Halloran einmal dem jungen Danny Torrance gegeben hatte, im selben kalten Ton: »Ist das so wichtig?«

Andi beschloss, dass dem nicht so war. Sie beschloss, zu Hause angekommen zu sein.

MAMA

1

Ein Kuddelmuddel schlechter Träume – jemand verfolgte ihn hammerschwingend durch endlose Flure, ein sich selbst in Gang setzender Aufzug, Hecken in Tierform, die zum Leben erwachten und ihn in die Enge trieben – und endlich ein klarer Gedanke: Ich wünschte, ich wäre tot.

Dan Torrance schlug die Augen auf. Durch sie hindurch schoss Sonnenlicht in seinen schmerzenden Kopf und drohte sein Gehirn in Brand zu setzen. Das war der übelste Kater aller Zeiten. Sein Gesicht pochte. Seine Nasenlöcher waren verstopft bis auf ein winziges Loch im linken, durch das ein Fädchen Luft eindringen konnte. Im linken? Nein, es war das rechte. Er konnte zwar auch durch den Mund atmen, doch in dem lag ein übler Geschmack nach Whiskey und Zigaretten. Sein Magen war eine Bleikugel und voller Dinge, die da nicht hineingehörten. Als Müllbauch am Morgen hatte irgendein alter Saufkumpan dieses elende Gefühl bezeichnet. Wer? Daran erinnerte er sich nicht. Er konnte sich gerade noch an den eigenen Namen erinnern.

Lautes Schnarchen neben ihm. Dan drehte den Kopf in die entsprechende Richtung, obwohl sein Hals dagegen protestierte und ihm ein neuer, qualvoller Schmerz in die Schläfe schoss. Er öffnete wieder die Augen, aber nur einen Spalt; bitte nicht mehr diese grelle Sonne. Noch nicht. Er lag auf einer nackten Matratze auf einem nackten Boden. Neben ihm lag eine nackte Frau platt auf dem Rücken. Dan blickte an sich hinunter und sah, dass er ebenfalls al fresco war.

Sie heißt … Dolores? Nein. Debbie? Schon wärmer, aber noch nicht heiß …

Deenie. Sie hieß Deenie. Er hatte sie in einer Kneipe namens Milky Way kennengelernt, und es war alles sehr amüsant gewesen, bis …

Er konnte sich nicht mehr erinnern, und ein Blick auf seine Hände – beide geschwollen, die Knöchel der rechten verkratzt und schorfig – überzeugte ihn davon, dass er sich auch nicht erinnern wollte. Letztlich war es auch egal. Das Grundmuster änderte sich nie. Er besoff sich, jemand sagte etwas Falsches, Chaos und Kneipengemetzel folgten. In seinem Kopf lebte ein bissiger Hund. Wenn er nüchtern war, konnte er den an der Leine halten. Wenn er trank, verschwand die Leine. Früher oder später bringe ich noch jemand um. Womöglich hatte er das letzte Nacht schon getan.

Deenie, mein Engel, drück mir den Schwengel.

Hatte er das tatsächlich gesagt? Ja, hatte er, war er sich leider ziemlich sicher. Einzelne Teile von der ganzen Sache kamen ihm wieder ins Gedächtnis, und selbst die waren ihm zu viel. Sie hatten Billard gespielt, 8-Ball. Er hatte versucht, dem Queue etwas mehr Drall zu geben, und dabei so über den Filz gekratzt, dass das mit Kreide verschmierte Scheißding auf den Boden gefallen und hüpfend bis zur Jukebox gerollt war, in der – was sonst? – Countrymusic lief. Irgendwie erinnerte er sich an Joe Diffie. Wieso hatte er bloß so bescheuert gekratzt? Weil er besoffen war und weil Deenie hinter ihm stand. Deenie hatte ihm direkt unter der Tischkante den Schwengel gedrückt, und er zog für sie eine Show ab. Alles spaßig, alles cool. Aber dann hatte der Typ mit dem Case-Käppi und dem schicken, glänzenden Cowboyhemd gelacht, und das war sein Fehler gewesen.

Chaos und Kneipengemetzel.

Dan betastete seinen Mund und spürte fleischige Würstchen an der Stelle, wo noch normale Lippen gewesen waren, als er gestern Nachmittag mit knapp über fünfhundert Dollar in der vorderen Hosentasche den Laden verlassen hatte, wo man Schecks einlösen konnte.

Wenigstens sind anscheinend noch alle meine Zähne …

Sein Magen zog sich zusammen. Er rülpste einen Mundvoll sauren Schleim hoch, der nach Whiskey schmeckte, und schluckte ihn wieder hinunter. Dabei brannte das Zeug in der Kehle. Er wälzte sich von der Matratze auf die Knie, kam taumelnd auf die Beine und stand schwankend da, während das Zimmer einen leichten Tango tanzte. Er hatte einen üblen Kater, sein Kopf platzte, sein Magen war gefüllt mit irgendwelchem billigen Fraß, den er sich abends hineingestopft hatte, um eine Grundlage für den Alkohol zu schaffen … aber abgesehen davon war er immer noch betrunken.

Er angelte seine Unterhose vom Boden und hielt sie umklammert, während er das Schlafzimmer verließ, nicht richtig hinkend, aber doch eindeutig so, dass er das linke Bein schonte. Er hatte vage Bilder im Kopf – die sich hoffentlich nie scharfstellen würden –, davon, wie der Case-Cowboy einen Stuhl geschleudert hatte. Daraufhin waren er und Deenie-Engel-drück-den-Schwengel abgehauen, nicht im Laufschritt, sondern wiehernd wie zwei Esel.

Wieder zog sich sein missgestimmter Magen zusammen, diesmal begleitet von einer Enge, die sich wie eine Hand in einem schlüpfrigen Gummihandschuh anfühlte. Das betätigte sämtliche Kotzauslöser: den Essiggeruch der hart gekochten Eier aus dem großen Glasgefäß auf der Theke, den Geschmack von Schweineschwarte mit Barbecue-Aroma, den Anblick von Pommes, die in blutigem Ketchup ersoffen. Der ganze Mist, den er sich zwischen jeweils zwei Schlucken Whiskey in den Mund gestopft hatte. Er wollte kotzen, aber die Bilder strömten immer weiter auf ihn ein; drehten sich wie auf einem Glücksrad in einer albtraumhaften Fernsehshow.

Na, was haben wir da für unseren nächsten Kandidaten, Johnny? Tja, Bob, das ist ein riesengroßer Teller FETTIGE SARDINEN!

Das Badezimmer war direkt auf der anderen Seite des kurzen Flurs. Die Tür stand offen, die Klobrille war hochgeklappt. Dan stürzte darauf zu, fiel auf die Knie und kotzte eine gewaltige Flut aus bräunlich gelbem Glibber auf eine im Wasser schwimmende Kackwurst. Er wandte den Blick ab, grapschte nach dem Spülhebel, fand ihn, drückte ihn. Das Wasser rauschte, aber es fehlte das begleitende Gurgeln von im Ablauf verschwindendem Wasser. Er sah wieder hin und erblickte etwas Alarmierendes: Die Wurst, wahrscheinlich seine eigene, stieg auf einem Meer aus halb verdautem Kneipenfutter zum mit Urin bespritzten Rand der Toilettenschüssel empor. Kurz bevor die Schüssel überlief und den banalen Horror dieses Morgens vervollkommnete, räusperte sich etwas im Abfluss, und der ganze Schlamassel rauschte davon. Dan erbrach sich ein zweites Mal, dann hockte er mit gesenktem Kopf auf den Fersen da, den Rücken an die Badezimmerwand gelehnt, und wartete, bis der Spülkasten sich gefüllt hatte, damit er noch einmal spülen konnte.

Nie wieder. Das schwöre ich. Kein Schnaps mehr, keine Kneipen mehr, keine Schlägereien mehr. Das versprach er sich zum hundertsten Mal. Oder zum tausendsten.

Eines war sicher: Er musste diese Stadt verlassen, oder er bekam womöglich Probleme. Ernste Probleme waren nicht völlig ausgeschlossen.

Na, Johnny, was haben wir für den heutigen Gewinner unseres Hauptpreises? Bob, das sind ZWEI JAHRE IM STAATSGEFÄNGNIS WEGEN BELEIDIGUNG UND KÖRPERVERLETZUNG!

Und … das Studiopublikum flippt aus.

Der Spülkasten hatte sich geräuschvoll wieder gefüllt und war verstummt. Dan griff nach der Taste, um Der Morgen danach, zweiter Teil wegzuspülen, hielt jedoch inne und konzentrierte sich auf das schwarze Loch seines Kurzzeitgedächtnisses. Kannte er den eigenen Namen? Ja! Daniel Anthony Torrance. Kannte er den Namen der Frau, die auf der Matratze im anderen Zimmer schnarchte? Ja! Deenie. An ihren Nachnamen erinnerte er sich zwar nicht, aber wahrscheinlich hatte sie ihm den auch gar nicht verraten. Kannte er den Namen des derzeitigen Präsidenten?

Zu Dans Schrecken war das zuerst nicht der Fall. Der Typ hat eine coole Elvis-Frisur und spielte Saxofon – ziemlich schlecht. Aber sein Name …?

Weißt du überhaupt, wo du bist?

In Cleveland? In Charleston? Entweder das eine oder das andere.

Während er die Spülung betätigte, tauchte in seinem Kopf mit fantastischer Klarheit der Namen des Präsidenten auf. Und Dan war weder in Cleveland noch in Charleston. Er war in Wilmington, North Carolina. Dort arbeitete er als Krankenpfleger im Grace of Mary Hospital. Beziehungsweise er hatte da gearbeitet. Es war an der Zeit weiterzuziehen. Wenn er irgendwo anders hinkam, in eine gute Stadt, dann war er vielleicht in der Lage, mit dem Trinken aufzuhören und von vorn anzufangen.

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