Doctor Sleep - Страница 85


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Ich muss etwas unternehmen.

Aber sie stand unter Drogen und fühlte sich wirr im Kopf.

(Dan)

Das sandte sie mit aller Kraft aus, die sie aufbrachte … was nicht viel war. Wie viel Zeit Crow ihr wohl lassen würde? Sie fühlte, wie die Verzweiflung sie überkam und den geringen Widerstandswillen, der noch in ihr übrig war, aushöhlte. Sie wollte nur noch die Hose zuknöpfen, in den Pick-up steigen und wieder einschlafen. Dennoch versuchte sie es noch ein weiteres Mal.

(Dan! Dan bitte!)

Und wartete auf ein Wunder.

Stattdessen hörte sie einen kurzen Hupton. Die Botschaft war klar: Die Zeit ist um.

Kapitel fünfzehn
KLEIDERTAUSCH

1

Du wirst dich an das erinnern, was vergessen war.

Nach dem Hinterhalt am Wolkentor wurde Dan von diesem Satz verfolgt wie von einer irritierenden, sinnlosen Tonfolge, die einem in den Sinn kam und sich festsetzte, sodass man sie selbst dann unwillkürlich summte, wenn man mitten in der Nacht zur Toilette stolperte. Irritierend war zwar auch dieser Satz, aber nicht völlig sinnlos. Aus irgendeinem Grund brachte Dan ihn mit Tony in Verbindung.

Du wirst dich an das erinnern, was vergessen war.

Es war klar, dass keiner von ihnen den Winnebago des Wahren Knotens zu ihren Autos zurückfahren würde, die am Stadtpark vor dem Bahnhof Teenytown standen. Selbst wenn sie nicht gefürchtet hätten, beobachtet zu werden oder forensisch verwertbare Spuren zu hinterlassen, brauchten sie darüber gar nicht erst abzustimmen. Das Wohnmobil roch nicht nur nach Krankheit und Tod, es roch nach Unheil. Dan hatte noch einen anderen Grund. Er wusste nicht, ob die Mitglieder des Wahren Knotens als Geister wiederkehrten, und er wollte es auch nicht herausfinden.

Sie warfen die leeren Kleidungsstücke und die Injektionsspritzen daher in den Saco, wo all das, was nicht versank, weiter flussabwärts nach Maine treiben würde, und fuhren alle auf die gleiche Weise zurück, wie sie gekommen waren, in der Helen Rivington.

David Stone ließ sich auf den Schaffnersitz fallen, sah, dass Dan immer noch Abras Stoffhasen hielt, und streckte die Hand danach aus. Als Dan ihm Hoppy bereitwillig überreichte, sah er, was Abras Vater in der anderen Hand hielt: sein Blackberry.

»Was haben Sie damit vor?«

Dave blickte auf den Wald, der an beiden Seiten der Schmalspurgleise vorbeizog, dann sah er Dan an. »Sobald wir irgendwohin kommen, wo ich Empfang habe, rufe ich bei den Deanes an. Falls sich da niemand meldet, kontaktiere ich die Polizei. Und falls sich jemand meldet, und Emma oder ihre Mutter sagen mir, dass Abra verschwunden ist, kontaktiere ich ebenfalls die Polizei. Falls die Deanes das nicht schon getan haben.« Sein Blick war kühl, abschätzend und alles andere als freundlich, aber wenigstens hielt er seine – sicher entsetzliche – Furcht um seine Tochter in Schach, und das flößte Dan Respekt ein. Außerdem konnte man dadurch vernünftiger mit ihm reden.

»Für das, was geschehen ist, mache ich Sie verantwortlich, Mr. Torrance. Es war Ihr Plan. Ihr irrwitziger Plan.«

Sinnlos, darauf hinzuweisen, dass sie diesem irrwitzigen Plan alle zugestimmt hatten. Oder dass ihm und John wegen Abras fortgesetztem Schweigen fast so übel war wir ihrem Vater. Im Grunde hatte er recht.

Du wirst dich an das erinnern, was vergessen war.

War das eine weitere Erinnerung an das Overlook? Er hatte ganz den Eindruck. Aber weshalb kam sie jetzt? Weshalb an diesem Ort?

»Dave, man hat sie entführt, das ist so gut wie sicher.« Das war John Dalton. Er hatte sich in den Wagen direkt hinter ihnen gesetzt. Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne drangen durch die Bäume und spielten flackernd über sein Gesicht. »Wenn das der Fall ist und du die Polizei informierst, was wird da wohl mit Abra geschehen?«

Gott sei Dank, dachte Dan. Wenn das von mir gekommen wäre, hätte er mir wohl kaum zugehört. Im Grunde bin ich für ihn nämlich ein Fremder, der sich heimlich mit seiner Tochter getroffen hat. Er wird nie völlig davon überzeugt sein, dass ich sie nicht in diese Sache reingeritten habe.

»Was können wir denn sonst tun?«, sagte Dave, und dann stürzte seine brüchige Ruhe in sich zusammen. Er weinte los und drückte sich dabei Abras Stoffhasen ans Gesicht. »Was soll ich bloß meiner Frau sagen? Dass ich damit beschäftigt war, am Wolkentor irgendwelche Leute abzuknallen, während jemand unsere Tochter entführt hat?«

»Alles der Reihe nach«, sagte Dan. Bekannte AA-Slogans wie Jede dunkle Nacht hat ein helles Ende oder Es gibt eine Lösung wären bei Abras Vater jetzt wohl nicht so gut angekommen. »Sie sollten tatsächlich bei den Deanes anrufen, sobald Sie Empfang haben. Ich glaube, Sie werden Emma und ihre Mutter erreichen, und denen wird nichts geschehen sein.«

»Wie kommen Sie darauf?«

»Bei meiner letzten Verbindung mit Abra habe ich ihr gesagt, dass sie die Mutter ihrer Freundin dazu bringen soll, die Polizei zu rufen.«

Dave blinzelte. »Das haben Sie wirklich getan? Oder sagen Sie das bloß, um sich aus der Patsche zu ziehen?«

»Ich habe es ihr wirklich gesagt. Abra hat auch angefangen zu antworten. ›Ich bin nicht mehr‹, hat sie gesagt, und dann hab ich sie verloren. Aber ich glaube, sie wollte mir sagen, dass sie nicht mehr bei den Deanes war.«

»Ist sie noch am Leben?« Mit einer Hand, die eiskalt war, packte Dave ihn am Ellbogen. »Ist meine Tochter noch am Leben?«

»Ich habe seither nichts von ihr gehört, aber am Leben ist sie bestimmt.«

»Was sollten Sie sonst auch sagen«, flüsterte Dave. »Immer schön den eigenen Arsch retten, was?«

Dan verschluckte seine Erwiderung. Wenn sie jetzt zu streiten anfingen, war die kleine Chance, Abra zu befreien, im Nu vertan.

»Es liegt doch nahe«, sagte John. Obwohl er noch bleich war und seine Hände leicht zitterten, sprach er mit seiner ruhigen Arztstimme. »Tot nützt sie dem, der sie entführt hat, nicht das Geringste. Lebendig ist sie eine Geisel. Außerdem wollen die sie lebendig haben, weil … tja …«

»Sie wollen sie wegen ihrer Essenz«, sagte Dan. »Wegen dem, was sie Steam nennen.«

»Noch etwas«, sagte John. »Was willst du der Polizei über die Leute sagen, die wir umgebracht haben? Dass sie abwechselnd sichtbar und unsichtbar wurden, bis sie schließlich vollständig verschwunden sind? Und dass wir dann entsorgt haben, was von ihnen übrig war?«

»Ich kann kaum glauben, dass ich mich da hab reinziehen lassen.« Dave drehte den Stoffhasen mit beiden Händen ständig hin und her. Wenn das so weiterging, platzte Hoppys Fell bald auf, und die Füllung quoll heraus. Dan wusste nicht recht, ob er den Anblick ertragen hätte.

»Hör mal, Dave«, sagte John. »Um deiner Tochter willen musst du dich jetzt zusammennehmen. Abra steckt in dieser Sache drin, seit sie das Foto von dem toten Jungen im Shopper gesehen und versucht hat, mehr über ihn herauszufinden. Sobald diese Frau mit dem Hut, wie Abra sie nennt, über sie Bescheid wusste, war sie in großer Gefahr. Ich weiß zwar nicht, was dieser Steam ist, und ich weiß nur sehr wenig über das, was Dan Shining nennt, aber ich weiß, dass Leute wie die, mit denen wir es zu tun haben, keine Zeugen hinterlassen. Und was den Jungen in Iowa angeht, ist deine Tochter genau das – eine Zeugin.«

»Rufen Sie bei den Deanes an, aber verraten Sie denen nichts Konkretes«, sagte Dan.

»Nichts Konkretes? Nichts Konkretes?« Er wirkte wie jemand, der ein schwieriges schwedisches Wort aussprechen wollte.

»Sagen Sie einfach, Sie wollen Abra fragen, ob Sie auf dem Heimweg noch was einkaufen sollen – Brot oder Milch oder so was. Wenn man Ihnen sagt, dass sie schon nach Hause gegangen ist, sagen Sie nur: Gut, dann rufe ich sie da an.«

»Und dann?«

Das wusste Dan auch nicht. Er wusste nur, dass er nachdenken musste. Er musste über das nachdenken, was vergessen war.

John wusste eine Antwort. »Dann versuchst du, Billy Freeman zu erreichen.«

Es dämmerte, und der Scheinwerfer der Riv warf bereits einen deutlich sichtbaren Kegel auf den Schienenstrang, als die ersehnten Balken auf dem Display von Daves Handy auftauchten. Er wählte die Nummer der Deanes. Während des Gesprächs rannen Schweißtropfen an seinem Gesicht herab, und er umklammerte den inzwischen deformierten Hoppy wie mit einem Schraubstock, aber Dan fand, dass er seine Sache recht gut machte. Ob Abby kurz ans Telefon kommen und ihm sagen könne, ob sie noch etwas vom Supermarkt brauchten? Ach? Tatsächlich? Dann werde er es zu Hause probieren. Er lauschte noch einen Moment, sagte, das werde er bestimmt tun, und beendete den Anruf. Mit Augen, die wie weiß geränderte Löcher aussahen, blickte er Dan an.

»Mrs. Deane hat gesagt, ich soll Abra fragen, wie es ihr geht. Bevor sie nach Hause gegangen ist, hat sie offenbar über Menstruationskrämpfe geklagt.« Er ließ den Kopf hängen. »Ich wusste nicht mal, dass sie schon die Periode hat. Lucy hat es mir nicht erzählt.«

»Manches müssen Väter eben nicht unbedingt wissen«, sagte John. »Versuch es doch jetzt mal bei Billy.«

»Ich weiß seine Nummer doch gar nicht.« Dave stieß ein kurzes, abgehacktes Lachen aus. »Wir sind vielleicht ein trauriger Haufen!«

Dan wusste die Nummer auswendig und sagte sie auf. Vor ihnen lichtete sich der Wald, und man sah das Funkeln der Lampen an der Hauptstraße von Frazier.

Dave wählte und lauschte. Er ließ das Telefon eine Weile am Ohr, dann beendete er den Anruf. »Die Mailbox.«

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